Nr. 053/2015 vom 5. November 2015
Gemeinsame Pressemitteilung der Handwerkskammer Region Stuttgart und der IHK Region Stuttgart
Betriebe aus Handwerk, Industrie, Handel und Service wollen Asylanten einstellen
Kammern: Politik muss gesamtes Fachkräftepotenzial mobilisieren
Viele regionale Betriebe aus Handwerk, Industrie, Handel und Dienstleistungsbranche in der Region Stuttgart sind bereit, Flüchtlinge zu beschäftigen und auszubilden. Das zeigen die Ergebnisse aktueller Befragungen von Industrie- und Handelskammer (IHK) und Handwerkskammer bei insgesamt 770 Mitgliedsbetrieben in der Region Stuttgart.
Voraussetzung für die Beschäftigung von Asylanten sei jedoch, dass Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erteilt wurden, ausreichend Deutschkenntnisse vorhanden sind und möglichst Informationen über Bildungsniveau, berufliche Kenntnisse und Berufsabschlüsse vorliegen. Die Kammern appellieren an die Politik, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit möglichst rasch viele Flüchtlinge eine Beschäftigung oder Ausbildung beginnen können. Nach Einschätzung der Präsidenten von IHK und Handwerk kann die Gewinnung und Qualifizierung von Flüchtlingen das Problem des Fachkräftemangels allenfalls dämpfen. Weiterhin müsse das gesamte gesellschaftliche Potenzial zur Fachkräftesicherung mobilisiert werden. Unverändert müssten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbes-sert und große Anstrengungen unternommen werden, um die Qualifikation und die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten über das gesamte Berufsleben hinweg sicherzustellen.
Ungeachtet dessen müssten sich Wirtschaft und Gesellschaft den aktuellen Herausforderungen stellen: "Wir stehen vor der großen Herausforderung, die Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Vertreibung zu uns kommen, hier vernünftig aufzunehmen und sie dann erfolgreich in den Arbeitsmarkt zu integrieren", sagt IHK-Präsident Georg Fichtner. "Viele Betriebe sind bereit dazu." So sind laut IHK-Präsident vier Fünftel der befragten IHK-Mitgliedsbetriebe in der Region Stuttgart grundsätzlich bereit, Flüchtlinge zu beschäftigen. "Von diesen Betrieben will ein Drittel Flüchtlinge ausbilden", so Fichtner. Mehr als vierzig Prozent derjenigen, die Flüchtlinge beschäftigen würden, haben auch soziale Motive.
Ähnlich die Lage im Handwerk: mehr als 80 Prozent der Befragten würden Flüchtlinge beschäftigen. Von diesen wollen fast 40 Prozent Flüchtlinge ausbilden. "Das Interesse an den Flüchtlingen als Mitarbeitern ist in der Handwerkerschaft sehr groß", bestätigt Hand-werkspräsident Rainer Reichhold. Fast die Hälfte der Befragten würde dies aus sozialen Erwägungen heraus tun. "Wir müssen das Engagement und die Hilfsbereitschaft der Betriebe jetzt nutzen, um die Integration dieser Menschen voranzutreiben", so Reichhold. Denn viele Flüchtlinge entwickelten sich zu echten Leistungsträgern. Das hätten Zuwanderer in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, wie zum Beispiel bei der Jugoslawien-Krise.
Problematisch sehen beide Kammerpräsidenten die Risiken für Unternehmen, wenn Abschiebung droht. "Wenn Betriebe in Ausbildung und Beschäftigung investieren, brauchen sie Rechtssicherheit", so Fichtner. Vor allem während der Ausbildung und im Anschluss daran mindestens für zwei Jahre müsse die Arbeitserlaubnis sichergestellt sein. Handwerkskammerpräsident Reichhold plädiert außerdem für die Aussetzung der Altersgrenze von 21 Jahren für die Ausbildung geduldeter Flüchtlinge oder eine Erhöhung auf 25 Jahre. Denn auch für Flüchtlinge jenseits der derzeit bestehenden Altersgrenze sei Integration über den Weg einer Berufsausbildung erfolgversprechend.
Fichtner mahnt an, dass es möglich sein müsse, die Mindestlohnregelung für Praktika, die länger als drei Monate dauern, aufzuheben. Solche Praktika seien notwendig, um die beruflichen Fähigkeiten und die Eignung der Bewerber festzustellen. "Während ein Flüchtling ein Praktikum absolviert, investiert der Betrieb zunächst nur einseitig", sagt der IHK-Präsident. Daher sei es von der Politik fair, wenn die Unternehmen während eines solchen Praktikums mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung von Löhnen und Gehältern bekommen würden. Beide Präsidenten plädieren außerdem für weniger Regulierung und Abbau von Bürokratie in den Verwaltungen.
IHK und Handwerkskammer unterstützen die Betriebe bei ihrem Engagement für Flücht-linge. Sie helfen bei der Vermittlung in Praktika sowie in Ausbildung, bieten Beratung für Betriebe und vermehrt auch für Flüchtlinge an. Darüber hinaus bringen sie ihr Know-how vor allem in der Ausbildung in Netzwerke ein und kooperieren mit den Akteuren, wie zum Beispiel den Arbeitsagenturen vor Ort.
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