Mehr Handwerksbetriebe, aber weniger Meister
Zulassungsfreie Betriebe stark im Kommen - Geringere Qualifizierung bereitet Sorgen
Pressenachricht Nr. 005/2016 vom 22. Februar 2016
Nach längerer Zeit fallender Betriebszahlen war das vergangene Jahr ein Rekordjahr. Bei der Handwerkskammer Region Stuttgart waren zum Jahresende 157 Betriebe mehr als im Vorjahr registriert, insgesamt waren 29.585 Handwerker eingetragen. Die aktuelle Entwicklung gibt dennoch Anlass zur Sorge. "Masse ist nicht gleich Klasse", betont Claus Munkwitz, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer. "Einige der Betriebsinhaber sind immer weniger qualifiziert. Die Meisterbetriebe werden von Jahr zu Jahr weniger."
In die Höhe geschnellt ist die Zahl der Eintragungen der zulassungsfreien Handwerker. "Erschreckend ist, dass hier nur die allerwenigsten Selbstständigen eine handwerkliche oder unternehmerische Qualifikation vorweisen können. Es kommt die Vermutung auf, dass der Weg des geringsten Widerstands gegangen wird" sagt Munkwitz. "Tatsache ist, dass es unter den Gründern zu wenige mit wirklicher Ahnung gibt, wie ein Betrieb funktioniert. Meisterbriefe, ja sogar Gesellen- und Facharbeiterabschlüsse sind Mangelware." Die Gefahr sei deshalb groß, dass bei diesem Trend die dem Handwerk zugeschriebenen Qualität massiv leiden wird. "Noch erschreckender ist, dass in diesen Betrieben nahezu keine Ausbildungen stattfinden und das nachhaltige Wirtschaften verloren geht." Um die Attraktivität des Meisterabschlusses zu stärken, bringt Kammerchef Claus Munkwitz die Forderung nach dem Meisterbonus ins Spiel. "Wir wollen schon lange, dass jeder, der die Meisterprüfung ablegt, 1.000 Euro als Prämie und Ersatz für seine Aufwendungen erhält. "Damit entfachen wir bestimmt keinen Boom, wir wollen damit aber ein Signal für mehr Qualifikation setzen. In Bayern wurde die Meisterprämie eingeführt - mit Erfolg."
Die meisterpflichtigen Betriebe, die sogenannten Vollhandwerke, gingen in der Region Stuttgart in 2015 um 185 Einheiten zurück. Durch den Rückgang lag deren Bestand zum Jahresende bei 18.088 Betrieben. In den einzelnen Gewerbegruppen nahmen die Bau- und Ausbauhandwerke um 35 und die Metall- und Elektrohandwerke um 117 Betriebe ab. Nur die Gesundheits- und Körperpflegehandwerke verzeichneten einen Zuwachs um 7 Betriebe. Auch die Feinwerkmechaniker verloren 37, die Maler und Lackierer 27, die Elektrotechniker 24 und die Fleischer 20 Betriebe. Zuwächse gab es bei den Dachdeckern (+ 9), Gerüstbauern (+7) und Friseuren (+8). 78 Prozent der Existenzgründer bei den Vollhandwerken waren im Besitz eines Meisterbriefs oder eines Techniker- oder Ingenieurabschlusses. 22 Prozent erfüllten die Eintragungsqualifikation über eine Sonderzulassung.
Überproportional nahmen die zulassungsfreien Handwerke 337 auf 6.543 Betriebe zu. Einen derart hohen Zuwachs gab es letztmals im Jahr 2006. Jede einzelne Gewerbegruppe innerhalb der zulassungsfreien Handwerke verzeichnete Zuwächse. Das Gebäudereinigerhandwerk gewinnt 125 Betriebe hinzu, gefolgt von den Fotografen mit 89, den Fliesen-, Platten- und Mosaiklegern mit 83 und den Raumausstattern mit 41 Betrieben. Der Ausländeranteil bei diesen Existenzgründern lag bei den Fliesen-, Platten- und Mosaiklegern und den Raumausstattern bei über 50 Prozent, bei den Gebäudereinigern bei 35 Prozent. Die Erfahrung zeigt, dass unter den Gründern viele Solo-Selbstständige sind, deren Werkstatt in den Kofferraum oder Lieferwagen passt.
Bei der Gruppe der handwerksähnlichen Betriebe, war das Bild heterogen. Die Baugewerbe verloren 37 Betriebe, die Metallgewerbe konnten 20 Betriebe hinzugewinnen. Die Realzunahme um 5 Betriebe kam trotz diverser Abgänge durch die Zuwächse bei den Kabelverlegern im Hochbau (+ 21 Betriebe), den Montagebauern (+ 13 Betriebe), und den Kosmetikern (+ 20 Betriebe) zustande. Bei den handwerksähnlichen Betrieben lag der Bestand zum Jahresende bei 4.954 Betrieben.
Der Ausländeranteil bei den Existenzgründern mit Qualifikation lag bei 23 Prozent, bei den zulassungsfreien Handwerken bei 39 Prozent und den handwerksähnlichen Gewerben bei 32 Prozent. Den ausländischen Neugründern handelt es sich überwiegend um Mitglieder aus der EU. Flüchtlinge spielen als Betriebsgründer bis dato keine Rolle.
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