Kultusministerin zu Gast in der Kammer
Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann diskutierte Anfang November mit Handwerkern und Lehrern das Thema Berufsorientierung. Lesen Sie hier, was dabei herauskam.
Chance Handwerk: Wie kommen Berufe ins Klassenzimmer?
So lautete Anfang November die zentrale Frage der Podiumsdiskussion aus der Reihe "Was nun, Frau Ministerin?" mit Kultusministerin Susanne Eisenmann im Forum der Handwerkskammer. Die CDU-Politikerin sprach sich für mehr Praxis im Rahmen des neuen Schulfaches Berufsorientierung aus - die Frage nach dem "Wie" blieb jedoch offen.
"Wir wissen alle: Der Weg zum uneingeschränkten Glück kann nur über Abitur und Hochschulstudium führen!" Reichlich ironisch machte Susanne Eisenmann zu Beginn der Veranstaltung klar, dass auch sie den momentanen Trend zur akademischen Bildung kritisch sieht. So erlebte es auch Podiumsgast Philipp Stern aus Esslingen: Nach zwei Semestern brach er sein Studium ab und begann eine Dachdeckerlehre (Live-Eindrücke zeigt unserVideoportal azubiTV) . "Im Gymnasium habe ich nichts übers Handwerk erfahren. Nach dem Abitur kam mir überhaupt nichts anderes in den Sinn, als zu studieren." Auch, so sagt er, weil er weder die Karrierewege kannte, noch die Faszination, die eine praktische Tätigkeit mit sich bringt.
Mit dem Fach "Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung" sei man hierbei einen entscheidenden Schritt gegangen, betonte Eisenmann. "Wir zwingen die Jugendlichen, sich früher mit der eigenen Zukunft und den verschiedenen Karrieremöglichkeiten auseinanderzusetzen, denn auch wir sehen die 30 Prozent Abbrecherquote an den Unis." Die Verzahnung mit der Praxis sei für den Unterricht entscheidend.
Praxiserfahrungen unabdingbar
Doch gewährleistet das seit September verpflichtende Schulfach tatsächlich eine umfassende Orientierung auch in den Berufen des Handwerks? Gymnasiallehrerin Marianne Landig aus Marbach äußerte Zweifel: "Wie sollen Lehrer über Ausbildung informieren, wenn sie selbst kaum etwas darüber wissen?" Ohne vorgegebene Hospitationen für Kollegen und Schüler hänge die Qualität der Berufsorientierung vom individuellen Engagement und Netzwerk des Lehrers ab.
Damit Handwerk im Klassenzimmer der Berufsschulen funktioniere, müssten Berufsschüler aktuelle technische Ausstattungen vorfinden, forderte der Schulleiter der Gewerblichen Steinbeisschule Herbert Bläsi aus Stuttgart: "Eisenmanns Pilotprojekt mit Tablets funktioniert nur mit einer vernünftigen WLAN-Infrastruktur. Hier muss ein finanzieller Schub kommen."
Bäckermeister Tobias Maurer aus Winnenden pflegt seinerseits aktive Kontakte zu Schulen in seiner Umgebung. "Das Handwerk findet im Unterricht nicht statt", so seine Erfahrung. Dabei sei es essenziell, "dass nicht das Handwerk ins Klassenzimmer, sondern die Klassen in die Betriebe kommen." "Sie etwas tun lassen, was sie selbst noch nie ausprobieren durften, die Werkstoffe riechen und anfassen - so erreicht man Jugendliche", ist auch die Meinung des 23-jährigen Dachdeckergesellen Philipp Stern. Gerade an Gymnasien bestünde hieran jedoch oft keinerlei Interesse.
Immerhin, so das Podium einhellig, seien es auch die Eltern, die ihre Kinder seit Wegfall der Grundschulempfehlung vermehrt in Richtung Hochschulstudium drängten. "Wir müssen an den Gymnasien deutlich nacharbeiten. Die duale Ausbildung ist für viele Jugendliche der bessere Weg. Ein erfolgreicher Handwerker verdient mehr Geld als ein beliebiger Wald- und Wiesenjurist, der in irgendeiner kleinen Kanzlei vor sich hin dümpelt", so Eisenmanns deftige Reaktion, für die sie Applaus erntete. Was die Ministerin unter "nacharbeiten" versteht, blieb an diesem Abend jedoch offen.
Einen ausführlichen Rückblick auf die Podiumsdiskussion finden Sie in Kürze auch auf der Website der Deutschen Handwerks Zeitung (DHZ).